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Halten Sie durch!



Mein Besuch beim Psychiater war mehr oder weniger erfolgreich.

Dort angekommen, hatte ich Glück, dass ich nach 10 Minuten Wartezeit direkt dran kam.

Ich setze mich und sagte: "Nun ja, Sie haben ja gesagt, wenn was ist, dann soll ich mich bei Ihnen melden. Also, hier bin ich."

Er guckte mich ganz erwartungsvoll an: "Ja, das habe ich gesagt."

Also begann ich zu erzählen: "Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Am Freitag nachmittag, da saß ich im Bad, mit einer Handvoll Antidepressiva und einem Becher Wasser zum Nachspülen. Mein Freund saß im Wohnzimmer nebenan. Ich saß also da und zählte von 10 runter, in der Hoffnung, mein Freund kommt rein und hält mich davon ab. Bei 0 angekommen, ging meine Hand immer weiter in Richtung Mund und kurz davor zitterte ich und es begannen Tränen zu fließen."

(Meine Gedanken) -Mist, ich pack das nicht. Okay, nochmal von 10 runter zählen, diesmal muss er aber kommen, ich sitze jetzt schon seit 20 Minuten hier im Bad, da sollte er doch mal nach mir schauen kommen.-

"Vielleicht hatte ich sogar die Hoffnung, ich werde davon abgehalten. Es fühlte sich eher an wie ein Hilfeschrei von mir, an die Außenwelt.

Doch auch beim zweiten Versuch, konnte ich sie nicht schlucken. Ich hatte zu große Angst, dass ich nicht ruhig einschlafe und dann nie wieder aufwache, sondern dass mir vielleicht nur schlecht wird oder ich mich noch schlechter fühle, wenn nicht sogar bleibende Schäden davon trage. Also musste etwas anderes her. Ich schnappte mir meinen Augenbrauenrasierer. Aber auch das war nicht das gelbe vom Ei. Ich wurde wütend und traurig, also habe ich den Plastikstiel vom Rasierer genommen und ihn wutentbrannt durchgebrochen. Dabei habe ich mich an einem Stück Plastik etwas gekratzt und habe laut "Aua" gesagt. Danach kam dann endlich auch mal mein Freund rein und ich bin weinend zusammengebrochen. Ich fühlte mich wie in Trance. Nichts mehr habe ich wahrnehmen können, meine komplette Umwelt war nur noch verschwommen."

Seine Antwort darauf: "Okay, ja. Also noch ist ja der Verstand da, dass Sie sich davor selbst schützen können. Es gäbe zwar die Möglichkeit, Sie in die geschlossene Station auf freiwilliger Basis einzuweisen, doch da müssen Sie wissen, Sie können nicht 5-6 mal am Tag sagen, Sie wollen raus oder sowas. Die offene Station wäre auch eine Möglichkeit, aber da haben Sie definitiv nicht die Betreuung, die Sie sich erhoffen. Also wenn sie einen Rappel bekommen, dann wird dort keiner jeder Zeit vor Ort sein um Sie von einem Suizidversuch abzuhalten. Haben Sie denn schon Neuigkeiten von Ihrer Klinikanfrage?"

Ich war etwas verwirrt, meine Gedanken haben sich überschlagen von "Was will ich" bis "Was will ich nicht".

"Von der Klinik habe ich bisher nichts neues gehört. Ich warte jede Sekunde auf einen Anruf oder eine E-Mail, worin steht, ich kann meine Sachen packen und los. Könnten Sie da nicht vielleicht mal etwas nachhaken, als Arzt?"

Er grinste: "Theoretisch könnte ich das tun, aber Sie müssen das auch mal so sehen, wenn ich dort anrufe und sage: "ch habe eine Patientin, die ist suizidgefährdet, wann können Sie sie endlich aufnehmen?", dann wird sich die Klinik distanzieren und Sie weiter nach hinten auf die Liste setzen. Zudem ist auch die Wartezeit eine Probe für die Klinik, um zu sehen, wie gut Sie mit Wartezeiten umgehen können. Darum wäre es nicht so sinnvoll dort Druck zu machen."

Meine Gedanken dazu:

-Sie sind ja ein ganz Lustiger. Wer kommt auch auf die Idee dort anzurufen und zu sagen: "Hallo, meine Patientin will sich umbringen, wenn sie jetzt keinen Platz bei Ihnen bekommt, beeilen Sie sich." Das ist mehr als klar, dass da jede Klinik eher auf Distanz geht. Außerdem kann ich mir im Leben nicht vorstellen, dass die Klinik daraus ein Spielchen macht, wer besser warten kann, darf weiter nach oben auf die Liste. Was für eine gequirlte Scheiße. Ich bin krank und das nicht, weil ich nicht gut warten kann, sondern weil mich viele Dinge belasten und beschäftigen. Und diese Dinge gehören in professionelle Hände und nicht zu jemanden, der damit spielt, wie gut ich mich in der Wartezeit mache. Ich musste mich echt zusammenreißen, dass ich in diesem Moment nicht ausfallend werde!

Meine Antwort darauf war: "Naja, aber Sie müssen ja nicht direkt sagen, ich will mich umbringen. Und ich gehe da ja nicht hin, weil mir langweilig ist, sondern weil mir geholfen werden soll."

Wir sind nun so verblieben, dass er dort anruft und vorsichtig mal anfragt, wie lange man denn so mit der Aufnahme rechnen kann. Ich musste ihm in die Hand versprechen, mir bis zu unserem nächsten Termin nichts anzutun und seine letzte Frage war dann mal wieder der Kracher: "Haben Sie es denn mal versucht mit 8 Uhr aufstehen und etwas Tagesstruktur?"

"Natürlich! Das versuche ich jeden Tag! Aber wissen Sie, wenn ich um 8:00 Uhr aufstehen, dann ist die Zeit noch länger, in der ich mich quälen muss. Der Tag wird dadurch nicht kürzer."

"Okay, dann halten Sie durch, bis die Klinik sich meldet und wir sehen uns dann in 2 Wochen." Ich freue mich über eure Feedbacks zu diesem Beitrag ! :-) Eure Charis


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